Schmidt liest Proust |
Sonntag, 7. Januar 2007
Berlin - VII Die wiedergefundene Zeit - Seite 45-65 jochenheißtschonwer, 07.01.07 23:52
Ich bin der, neben den sich die Frauen nachts auf dem leeren Bahnsteig setzen, weil sie von ihm nichts befürchten. Seite 45-65 Alles spricht von einer tiefen Wandlung, einer Kluft zwischen der Vorkriegszeit und dem Krieg. Für Geister, die gewohnt sind, sich im Innern eine eigene Welt zu schaffen, vollziehen sich solche Wandlungen allerdings eher in eigentlich bedeutungslosen Dingen: "...ein Vogellied im Park von Montboissier oder ein mit Resedaduft beladener Lufthauch sind offenbar Ereignisse von geringerer Tragweite als die größten Daten der Revolution und des Kaiserreichs. Dennoch haben sie Chateaubriand in seinen Memoires d'Outretombe Seiten von unendlich größerem Wert eingegeben." Etwas verräterisch erscheint es, und wie eine Selbstbeschwörung, daß über den Text wieder Beteuerungen verstreut sind, wie wenig er noch an Albertine denke (nämlich gar nicht). Aus Mangel an Kohlen und Licht macht der Salon der Verdurins in großen Hotels Quartier, was den Reiz aber eher noch erhöht, da sich die vielen Vergnügungen dort "auf kleinem Raum zusammendrängten gleich den Überraschungen, die man in einem Weihnachtsstrumpf entdeckt." Am Himmel sieht man Flugzeuge wie winzige Insekten über Paris wachen und Soldaten auf Urlaub blicken vor der Rückkehr zu den Schützengräben durch die beleuchteten Fensterscheiben der Restaurants, worunter Marcel angeblich leidet. Der besondere Reiz dieser Tage ist die Verdunkelung der Stadt, denn "die Besuche, die man machte, bekamen Ähnlichkeit mit denen, die man Nachbarn auf dem Lande abstattet." Wie herrlich wäre es, sich jetzt im Freien mit Albertine zu treffen! "Zunächst hätte ich nichts gesehen, ich hätte die Aufregung durchgemacht zu glauben, sie habe das Rendezvous versäumt..." Man geht durch die Dunkelheit von Haus zu Haus, als besuche man einen Gutsnachbarn auf dem Lande. Naturelemente, die bis dahin in Paris nicht existierten, geben einem das Gefühl, die Ferien im Freien zu verbringen, alleine schon der Kontrast von Licht und Schatten an hellen Mondscheinabenden. Und wenn der Wind eisigen Hagel vor sich hertreibt, wähnt Marcel sich "weit mehr am Ufer des wütenden Meeres, von dem ich einstmals träumte, als seinerzeit in Balbec." Unklares Inventar: - Madame Tallien.
Verlorene Praxis: - Mit einer kleinen Grimasse zu verstehen geben, daß man nicht einmal zuverlässig wisse, ob eine Dame verheiratet sei oder nicht.
Katalog kommunikativer Knackpunkte: - "Ich hatte bereits bei verschiedenen Personen bemerkt, daß das Zurschautragen lobenswerter Gefühle nicht die einzige Art ist, schlechte zu verbergen, sondern daß eine neue Methode im offenen Bekennen dieser minderwertigen besteht, wobei man dann wenigstens nicht den Anschein erweckt, als wolle man etwas verbergen."
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