Schmidt liest Proust |
Freitag, 29. September 2006
Berlin - III Die Welt der Guermantes - Seite 334-354 jochenheißtschonwer, 29.09.06, 20:19
Kaffeeplausch mit einem Biologen und einem Autor. Wie schön, wenn Menschen neugierig sind. Die 11000 in Köln von den Römern getöteten Jungfrauen, was natürlich nicht stimmte, aber einen schwunghaften Reliquienhandel ermöglichte und Köln zu einem der reichsten Bistümer des Mittelalters gemacht habe. Bei Madonna sei es doch auch egal, ob der Schlüpfer bei e-bay echt sei, warum man das dann von Reliquien verlange. Warum die Evolution nicht dafür gesorgt habe, daß die Opfer ihren Räubern nicht mehr schmeckten. Opfer sei schon das falsche Wort, korrekter hieße es "stomach content provider". An welcher Krankheit Johnny Cash gestorben sei, Parkinson ja doch nicht, und Alkoholiker sei er auch nicht gewesen. Also sicher upper and downer. Nur auf der Bühne war er schmerzfrei, Syphillis käme also auch in Frage. Woran der Sänger dieser einen Band leide, der sei so aufgedunsen. Kokain? Würde man davon nicht abmagern? Nein, nicht im fortgeschrittenen Stadium. Im Gerichtssaal sei es ganz schlecht, als Gutachter kurzhaarig und am ganzen Körper tätowiert zu erscheinen. Das Publikum in Kinderschänderprozessen verlange immer, daß dem Schuldigen die Hoden abgeschnitten und er bei lebendigem Leibe gekocht würde, da werde einem angst und bange. Vor Gericht zu gestehen sei übrigens immer ein Fehler. Ob man die mißlungene Schülerinszenierung eines Vampir-Stücks verreißen dürfe? Die russische Putzfrau nebenan sei übrigens mit Sicherheit höher qualifiziert, als wir alle. Wer denn da singt? Der junge Stevie Wonder. Dem habe er mal an seine miteingeblendete Autogrammadresse geschrieben, dann habe er sich gefragt, wie der das denn lesen solle? Wenn einem der Stiel vom Schrubber immer abbreche, da helfe eine Fachberatung bei einer Reinigungsfirma, die würden einem alles zusammenstellen, mit K17 als Reinigungsmittel. Mit Profigeräten mache sogar Fensterputzen Spaß. Das sei typisch männlich, sich für alles ein Gerät zu kaufen, eine Bohrmaschine, die könne man doch auch borgen. Wenn man mit einer für 300 Euro Löcher bohrt, kostet jedes Loch 60 Euro. Mit jedem weiteren Loch sinkt der Wert der Löcher, die man besitzt, also besser man verzichtet auf neue. Die Rheinländer hätten immer Blumentöpfe auf "die" geworfen, womit sie die Nazis meinten, das sei aber ein Mythos, in Wirklichkeit hätten sie genauso mitgemacht, die Polizei habe sogar Menschen in Kirchen vertrieben und verbrannt. Ob man am 500 Jahre alten Skelett einer Päpstin erkennen könne, daß sie kleine Brüste hatte. Der Tintenfisch müsse eigentlich Tintenschnecke heißen, wie der Schraubenzieher Schraubendreher. Komisch, daß die Natur etwas dem Menschen so nützliches wie Tinte ins Meer verbannt habe. Wenn am Nordpol der Sozialismus eingeführt worden wäre, wäre binnen kurzem das Eis knapp geworden. Woran man Ossis erkenne, wo sie sich ja nicht mehr so auffällig kleideten. Aber sie würden sich eben immer noch instinktiv überall anstellen. Seite 334-354 Von Kokotten ruinierte Männer: "Er selbst hat fünfzigtausend Francs für sie ausgegeben und sie einmal gehabt; da sie jedoch bei ihm einen Helfershelfer gefunden hat in Gestalt seiner Eigenliebe, hat sie ihm zu suggerieren vermocht, er sei einer von denen, die sie umsonst gehabt hätten." Also Vorsicht, sobald Geld im Spiel ist. Und endlich bricht Marcel auf! 120 Seiten für einen Salonbesuch! Er verabschiedet sich noch von Monsieur de Guermantes: "Man hätte meinen sollen, die in allen seinen Gliedern allgegenwärtige Vorstellung von seinen großen Reichtümern gebe ihm, als seien diese im Tiegel zu einem einzigen Barren in Menschengestalt zusammengeschmolzen, um einen Mann zu schaffen, der so hoch bewertet wurde, einen besonders hohen Dichtigkeitsgrad." Aber plötzlich huscht Charlus herbei und zieht ihn zur Seite, er will mit ihm zusammen gehen und hakt sich auf der Straße bei ihm ein. Er sehe in ihm einen "menschlichen Setzling". Er suche jemanden, an den er seine geistige Erbschaft weitergeben könne. Dafür müsse er ihn aber jeden Tag sehen. Charlus führt "abscheuliche und an Wahnsinn grenzende Reden". Er ist für Dreyfus, aber aus dem spitzfindigen Grund heraus, daß er ihn als Juden, und nicht als Franzosen sieht, also könne er auch kein Vaterlandsverräter sein, man könne ihn höchstens wegen Übertretung der Regeln der Gastfreundschaft belangen. Er rät Marcel, die Gesellschaft zu meiden: "Halten Sie sich Mätressen, wenn Ihre Familie nichts dagegen hat, das geht mich nichts an, ich möchte Sie sogar eher dazu ermutigen, Sie junger Tunichtgut, der Sie bald nötig haben werden, sich rasieren zu lassen, sagte er, indem er mein Kinn berührte. Doch die Wahl der männlichen Freunde ist viel schwerwiegender." Verlorene Praxis: - Sich von einer Frau ruinieren lassen.
Selbständig lebensfähige Sentenz: - "Denn eines der barmherzigen Gesetze der Natur, das im Schoße komplexerer Gesellschaftsgebilde waltet, besteht darin, daß man in völliger Unkenntnis dessen lebt, was man liebt."
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